- Basiskonten sind in 2 von 3 der in diesem Bericht analysierten EU-Ländern nicht erschwinglich. EU-Recht sollte Basiskonten für schutzbedürftige Verbraucher kostenlos machen.
- Finanzinstitute in Deutschland, Spanien und Rumänien bieten Verbrauchern nur widerwillig Basiskonten an, selbst wenn sie ihre finanziellen Verhältnisse offenlegen. EU-Recht sollte das Angebot von Basiskonten als Standardoption zur Pflicht machen.
- Strenge Dokumentationsanforderungen erschweren schutzbedürftigen Verbrauchern den Zugang zu Basiskonten. Hier ist mehr Flexibilität erforderlich, einschließlich der Möglichkeit, Verbrauchern ohne ordnungsgemäße Dokumentation die Eröffnung dieser Konten – unter strenger Überwachung und Einschränkungen – zu gestatten.
- In allen 3 EU-Mitgliedsstaaten, versäumen es sowohl die Kreditinstitute als auch die Mitgliedstaaten, das Bewusstsein für Basiskonten zu schärfen. EU-Recht sollte für Unternehmen und nationale Regierungen starke und verbindlichere Sensiblisierungsmaßnahmen einführen.
Finance Watch veröffentlichte heute eine neue Studie mit Daten aus Deutschland, Spanien und Rumänien, die die Barrieren aufzeigen, denen schutzbedürftige Verbraucher beim Zugang zu Basiskonten ausgesetzt sind. Da der Zugang zu Basiskonten notwendig ist, um ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein, empfiehlt Finance Watch dringende Änderungen an der Zahlungskonten-Richtlinie (ZKRL), um diese Barrieren im nächsten EU-Mandat abzubauen.
53 reale Fallstudien in 3 verschiedenen EU-Ländern zeigen, dass die Barrieren für den Zugang zu Basiskonten für schutzbedürftigen Menschen, die in der EU leben, in 4 Hauptkategorien unterteilt werden können: Erschwinglichkeit, Zugänglichkeit, Verfügbarkeit und Bekanntheit.
Basiskonten müssen auch für die schutzbedürftigsten Gruppen der Gesellschaft, deren Zahl aufgrund der Lebenshaltungskrise zugenommen hat, erschwinglich sein. 2022 waren 21,6 % der EU-Bevölkerung von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. In Deutschland lag die Zahl laut Eurostat bei 20,9 %.
Im heute veröffentlichten Bericht überprüfte Finance Watch, ob die Verbraucher in Deutschland, Rumänien und Spanien die Gebühr für Basiskonten bezahlen können, ohne dass dies für sie eine finanzielle Belastung darstellt.
Unter Berücksichtigung des Einkommensniveaus der nationalen Haushalte ergab dieser Bericht, dass Basiskonten in Spanien, wo die Entgelte für diese Konten auf nationaler Ebene geregelt werden, erschwinglich sind. In Deutschland und Rumänien ist dies jedoch nicht der Fall.
In Deutschland liegen die Entgelte für Basiskonten bei allen Finanzinstituten zwischen 58,80 € und 143,40 € pro Jahr, und besondere Preisregelungen, die von der Höhe der Schutzbedürftigkeit abhängen, sind nicht vorhanden.
In Rumänien sollten Basiskonten für schutzbedürftige Verbraucher laut Gesetz kostenlos sein; in Wirklichkeit ist es jedoch so, dass die Kombination dieser Konten mit anderen Produkten, wie Überziehungskrediten, und mangelhafte Vorschriften bei der Festlegung, ob eine Person als schutzbedürftig gilt, zu hohen Kosten führen können.
Laut Frau Dr. Duygu Damar-Blanken, Wissenschaftliche Referentin am Institut für Finanzdienstleistungen E.V. (iff):
Basiskonten sollten keine finanzielle Belastung für die Vulnerabelsten, sondern eine Möglichkeit zur finanziellen und sozialen Inklusion darstellen. Dies wird jedoch nur dann möglich sein, wenn unter anderem die Kostenberechnung für Basiskonten auf EU-Ebene geregelt wird.
Finance Watch ist der Meinung, dass um zu gewährleisten, dass die Kosten für Verbraucher ohne oder nur mit geringem Einkommen keine Barriere für den Zugang zu Basiskonten darstellen, die ZKRL verbindlich vorschreiben sollte, dass diese Konten für schutzbedürftige Bürger in der EU kostenlos sind. Für nicht schutzbedürftige Verbraucher kann eine Gebühr erhoben werden, für die jedoch eine angemessene gesetzliche Obergrenze eingeführt werden muss.
Basiskonten sollten nicht nur erschwinglich, sondern auch verfügbar sein. Es bieten zwar alle großen Kreditinstitute in Deutschland, Spanien und Rumänien Basiskonten an. Tatsache ist jedoch, dass die Finanzinstitute sie nur widerwillig anbieten.
Die Daten von Finance Watch ergeben, dass Finanzinstitute normalerweise nur dann ein Basiskonto anbieten, wenn der Verbraucher erklärt, schutzbedürftig zu sein oder wenn er ausdrücklich danach fragt. In Deutschland wird das Basiskonto nur in 53 % der Fälle proaktiv angeboten; in Spanien in 48 % der Fälle und in Rumänien in 31 % der Fälle. Selbst nach der Feststellung, dass der Verbraucher schutzbedürftig ist, wird in Deutschland und Rumänien nur selten ein Basiskonto angeboten.
Der Bericht empfiehlt deshalb, die ZRKL zu überarbeiten und es für Finanzinstitute zur Pflicht zu machen, ein Basiskonto als Standardoption anzubieten.
Selbst wenn schutzbedürftigen Verbrauchern das Basiskonto angeboten wird, kann sich dessen Zugang als schwierig erweisen, wenn die Eröffnung zu aufwändig ist. Die Daten dieser Studie zeigen, dass die Eröffnung eines Basiskontos manchmal zu schwierig oder sogar unmöglich ist, da die Finanzinstitute von potenziellen Kunden die Einreichung bestimmter Dokumente verlangen.
Die meisten der von den Finanzinstituten zur Eröffnung eines Basiskontos verlangten Dokumente – wie ein gültiger Identitätsnachweis – sind durchaus gerechtfertigt und angemessen. Einige stellen jedoch ungerechtfertigte Barrieren für bestimmte schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen dar. Zum Beispiel kann ein obdachloser Verbraucher keinen Nachweis über einen ständigen Wohnsitz erbringen, der unseren Informationen zufolge sowohl in Deutschland als auch in Rumänien in allen Fällen und in Spanien in etwas mehr als der Hälfte der Fälle verlangt wird.
Die Studie ergab ferner, dass auf dem deutschen Markt, Verschuldung durchaus ein Grund zur Ablehnung einer Person, die ein Basiskonto eröffnen will, sein kann. Bei Durchführung der Studie zeigten sich einige Bankangestellte „alarmiert“, wenn ein Verbraucher erwähnte, sich neulich an einen Schuldnerberater gewandt zu haben. Die Tatsache, dass jemand verschuldet ist, sollte aber keinen Einfluss aufdas Angebot eines Basiskontos haben .
Um zu gewährleisten, dass schutzbedürftige Verbraucher nicht finanziell ausgegrenzt werden, ist die Überarbeitung der ZKRL notwendig, um auch Personen ohne ordnungsgemäße Identitätsnachweise die Eröffnung eines Basiskontos zu ermöglichen. Um Bedenken hinsichtlich der Geldwäschebekämpfung auszuräumen, könnten die Konten dieser Verbraucher strengerer regelmässiger Überwachung auf potenziell verdächtige Aktivitäten und Beschränkungen für Bareinzahlungen und Geldtransfers unterzogen werden. Im Fall des Nachweises einer Adresse, müsste zudem im Rahmen der ZKRL eine vorübergehende Adresse, die Adresse eines Familienangehörigen oder Freundes akzeptiert werden. Außerdem sollte die Verwendung irrelevanter Dokumente, wie Informationen zur Kredithistorie, bei der Eröffnung eines Kontos verboten sein.
Peter Norwood, Senior Research & Advocacy Officer bei Finance Watch
Um vollwertige Mitglieder der Gesellschaft zu sein, müssen Bürger Zugang zu einem Basiskonto haben. Diese Notwendigkeit besteht, um den Eingang von Gehältern, finanzieller Unterstützung und anderer wesentlicher finanzieller Leistungen zu ermöglichen. Das Verfahren zur Eröffnung eines Kontos ist derzeit für viele schutzbedürftige Menschen aber zu aufwändig. Deshalb muss die EU die Vorschriften überarbeiten, um dies zu ändern.
Während Finanzinstitute und Regierungen das Bewusstsein für Basiskonten im Rahmen der aktuellen ZKRL schaffen sollten, zeigt die Wirklichkeit letztendlich, dass keine angemessenen Sensibilisierungsmaßnahmen bestehen, so dass folglich viele Verbraucher, die diese Konten benötigen, nicht einmal wissen, dass sie existieren.
Die Finance Watch Studie ergab, dass den Mitarbeitern der Kreditinstitute in allen 3 Länder nicht viel über die Eigenschaften, Gebühren und Zugangsbedingungen für Basiskonten bekannt ist.
In einigen Fällen kommt zu diesem Mangel an Wissen noch ein Mangel an Einfühlungsvermögen hinzu, wie die Aussage eines Iranischen Bürgers mit vorübergehendem Wohnsitz in Deutschland, der fuer die Studie als Testkäufer unterwegs war, zeigt:
Als ich in die Filiale ging, um ein Basiskonto zu eröffnen, behandelten mich die Mitarbeiter herablassend, das Gespräch fand ohne den Schutz meiner Privatsphäre statt und sie lachten über mich, weil sie dachten, ich würde kein Deutsch verstehen.
Finance Watch empfiehlt, eine neue Bestimmung in die EU-Vorschriften aufzunehmen, die besagt, dass ein angemessenes Wissen und Verständnis von Basiskonten, ihrer Hauptzielgruppe und ihrer Bedingungen zu den Mindestanforderungen an das Wissen und die Kompetenz der Mitarbeiter von Finanzinstituten gehört. Darüber hinaus fordert die Organisation die politischen Entscheidungsträger der EU dringend auf, verbindlichere, spezifische und präskriptive Sensibilisierungsmaßnahmen sowohl für nationale Regierungen als auch Finanzinstitute in die ZKRL aufzunehmen.
– Ende –
Anmerkungen für Redakteure
Finance Watch veranstaltet heute um 12 Uhr MEZ ein Webinar, in dem die Ergebnisse des Berichts im Detail erläutert werden. Dies ist eine öffentliche Veranstaltung, für die Sie sich hier anmelden können.
Über Finance Watch
Finance Watch ist eine unabhängig finanzierte gemeinnützige Vereinigung, die sich dafür einsetzt, dass die Finanzwirtschaft zum Wohl der Gesellschaft beiträgt. Die Mission der Vereinigung besteht darin, die Stimme der Gesellschaft bei der Reform der Finanzregulierung zu stärken, indem sie Lobbyarbeit betreibt und Argumente im öffentlichen Interesse vor Gesetzgebern und der Öffentlichkeit präsentiert. Die Mitglieder von Finance Watch umfassen Verbrauchergruppen, Wohnungsgenossenschaften, Gewerkschaften, NGOs, Finanzexperten, Akademiker und andere zivilgesellschaftliche Gruppen, die gemeinsam eine große Anzahl europäischer Bürger repräsentieren. Die Gründungsprinzipien von Finance Watch besagen, dass das Finanzwesen für die Gesellschaft unerlässlich ist, um Kapital auf transparente und nachhaltige Weise produktiv zum Einsatz zu bringen. Sie betonen jedoch auch, dass die legitime Verfolgung privater Interessen durch die Finanzindustrie nicht zum Nachteil der Gesellschaft erfolgen sollte.
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